Nach dem Mauerfall am 09. November 1989 dauerte es noch fast ein Jahr bis zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Teilstaaten am 03. Oktober 1990.
In der Zwischenzeit fanden erste freie Wahlen in der DDR, Verhandlungen und Vertragsabschlüsse statt, welche die deutsche Einheit überhaupt möglich machten.
Hintergrund
Entwicklungen nach dem Mauerfall
Anfang Dezember 1989, nicht einmal einen Monat nach dem Mauerfall, war die DDR-Regierung unter Egon Krenz zum Rücktritt gezwungen, der Führungsanspruch der SED wurde aus der Verfassung gestrichen.
Der neue Ministerpräsident Hans Modrow berief einen Runden Tisch, also eine gleichberechtigte Gesprächsrunde, mit Oppositionsparteien ein. Folgende Ergebnisse waren maßgeblich:
- Beschluss zur Auflösung der Stasi
- Ansetzung erster freier Wahlen im März 1990
Auf den Montagsdemonstrationen, die weiterhin stattfanden, änderten viele ihre Parole: Am 11. Dezember 1989 wurde aus "Wir sind das Volk!" erstmals "Wir sind ein Volk!" → Ruf nach deutscher Einheit wird laut
Kohls Zehn-Punkte-Plan
Überraschend legte Bundeskanzler Helmut Kohl Ende November 1989 einen Zehn-Punkte-Plan für das zukünftige Miteinander der BRD und der DDR vor.
Der Plan sah vonseiten der BRD für die DDR vor allem Reisefreiheit zur humanitären und medizinischen Hilfe, eine wirtschaftliche Unterstützung und eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen den beiden deutschen Staaten vor. Auch die europäische Integration sollte dabei eine Rolle spielen.
Am wichtigsten war jedoch der zehnte und letzte Punkt des Plans, nämlich das übergeordnete Ziel der deutschen Einheit.
→ Ab dem 01. Januar 1990 nahmen die BRD und die DDR Verhandlungen zu einer Vertragsgemeinschaft auf, ab Februar wurden konkrete Verträge ausgehandelt.
Entscheidungsjahr 1990
Freie demokratische Volkskammerwahl
Am 18. März 1990 fanden die ersten (und einzigen) freien und demokratischen Wahlen in der DDR statt. Die Wahl war ein Richtungsstreit im Hinblick auf eine mögliche Wiedervereinigung:
- CDU, im Osten durch die Allianz für Deutschland vertreten, setzte sich dafür ein, den Osten in das Grundgesetz einzugliedern (nach Art. 23 Grundgesetz)
- SPD wollte neue gesamtdeutsche Verfassung
Die Allianz für Deutschland gewann mit ca. 48% vor der SPD (22%) und der SED-Nachfolgepartei PDS (16%), Lothar de Maizière wurde neuer Ministerpräsident.
→ Das heißt, die Menschen in der DDR äußerten mehrheitlich den Wunsch nach der deutschen Einheit.
→ Bundeskanzler Kohl versprach eine schnelle Wiedervereinigung und einen 1:1-Umtausch der Ostmark in die D-Mark.
Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion
Am 01. Juli 1990 trat nach fünfmonatiger Verhandlung und den oben genannten Versprechungen Kohls nach der Wahl die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen der BRD und der DDR in Kraft, die zu grundlegenden Veränderungen in der DDR führte:
- Einführung der Sozialen Marktwirtschaft (Privatisierung der Volkseigenen DDR-Betriebe seit März 1990 durch Treuhandanstalt)
- Einführung der D-Mark
- Übernahme des Arbeits- und Sozialrechts, der Rentenversicherung, der Kranken- und Arbeitslosenversicherung aus BRD
→ Auch die weitreichenden Reformen in der 'neuen' DDR beendeten nicht die Massendemonstrationen und Fluchtbewegungen. Das Ziel der Mehrheit in beiden deutschen Teilstaaten hieß weiterhin: Wiedervereinigung.
Einigungsvertrag
Am 31. August 1990 war es dann soweit: Der Einigungsvertrag wurde unterschrieben, der die Auflösung der DDR und den Beitritt ihrer Gebiete zum Grundgesetz, also zur BRD, regelte und am 03. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit (neuer gesetzlicher Feiertag), in Kraft treten sollte. Mit diesem Vertrag löste sich ein Staat demnach friedlich und demokratisch selbst auf.
Dafür waren einige Änderungen des Grundgesetzes, die Rechtsangleichung der neuen Gebiete sowie Regelungen zu Verwaltung, Vermögen und gesellschaftlichen Aspekten (z.B. Arbeit, Familie, Bildung) nötig.
Die Bundesrepublik übernahm das Vermögen der DDR und haftete für ihre Schulden.
Berlin wurde zur Hauptstadt Deutschlands.
Aus den 14 DDR-Bezirken wurden 5 neue Bundesländer: Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
Zwei-plus-Vier-Vertrag
Die außenpolitische Bedeutung der deutschen Einheit konnte nicht unabhängig von den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs verhandelt werden.
Die USA, Großbritannien und Frankreich befürworteten die Einheit mit der Voraussetzung des NATO-Verbleibs, die Sowjetunion forderte den NATO-Austritt.
Die finanziell bedrohte Sowjetunion konnte jedoch mit Zuwendungen der BRD in Milliardenhöhe (insgesamt ca. 20 Mrd. D-Mark) und Auflagen für Deutschland überzeugt werden.
→ Der Zwei-plus-Vier-Vertrag wurde am 12. September 1990 in Moskau unterzeichnet und ebnete den Weg für die Wiedervereinigung.
- Er ersetzte damit einen Friedensvertrag nach dem Zweiten Weltkrieg und beendete somit die Nachkriegszeit.
- Die Siegermächte gaben ihre Verantwortung für die deutschen Gebiete auf, Deutschland gewann volle Souveränität.
- Deutschland verpflichtete sich u.a. zur Anerkennung der Grenzen.
Sidefact
Warum legte man den Tag der Deutschen Einheit eigentlich auf den 03. Oktober?
Bundeskanzler Kohl hat sich vor Festlegung des Datums beim Deutschen Wetterdienst nach einem voraussichtlich sonnigen Tag erkundigt. Der Rest ist Geschichte...