Helmut Schmidt war der fünfte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Seine Regierungszeit (1974-1982) war geprägt von Krisen, vor allem der Wirtschaftskrise (ausgelöst durch den "'Ölschock" von 1973) und dem Terror der links-terroristischen Rote Armee Fraktion (RAF).
Schmidt gilt bis heute als Realist und überzeugter Europäer, der maßgeblich die Europäische Integration voranbrachte.
Steckbrief
Name | Helmut Heinrich Waldemar Schmidt |
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Geboren/gestorben | 1918/2015 |
Ausbildung und Karriere |
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Hintergrund
Rücktritt Willy Brandts 1974 → Als ein DDR-Spion in unmittelbarer Umgebung Willy Brandts aufgedeckt wurde, musste Brandt zurücktreten
Wahl Helmut Schmidts zum Bundeskanzler durch FDP & SPD → Große Herausforderungen für neue Regierung
Wirtschaftskrise: Ölpreisschock, Arbeitslosigkeit, Inflation, Strukturwandel...
Terror der RAF: Entführungen, Morde, Anschläge...
Zuspitzung des Kalten Krieges: Anspannung zwischen Supermächten, Aufstellung neuer Raketen...
Außenpolitik
NATO-Doppelbeschluss
Auf die Gefahr durch neue sowjetische Raketen drängte Helmut Schmidt auf den NATO-Doppelbeschluss.
Aufstellung neuer sowjetischer Raketen gegen Westeuropa Mitte der 1970er → Schmidt sah große Gefahr und forderte Gegenmaßnahmen der NATO
12.12.1979: Verabschiedung des NATO-Doppelbeschlusses → "NATO würde neue eigene Raketen aufstellen, falls Sowjetunion nicht auf Verhandlungen zur Abrüstung eingehen würde."
Europäische Integration
Helmut Schmidt verstand sich als Europäer und brachte die europäische Integration deutlich voran.
Etablierung des Europäischen Rates → Staatschefs der damaligen westlichen europäischen Demokratien kamen hier zusammen (existiert bis heute)
Einführung des Europäischen Währungssystems und Währungseinheit (ECU) 1979 → Währungspolitische Zusammenarbeit der Länder der Europäischen Gemeinschaften
Verbesserung der deutsch-französischen Beziehungen: Zusammenarbeit zwischen Schmidt und französischem Präsidenten d'Estaing beim europäischen Währungssystem
Innenpolitik
Öl- & Wirtschaftskrise
1973 stiegen die Ölpreise sprunghaft an, wodurch eine weltweite Wirtschaftskrise ausgelöst wurde (auch Ölpreisschock/Ölpreiskrise genannt).
Ölboykott der arabischen Länder (OPEC-Staaten) als politisches Druckmittel → Wollten dadurch westliche Industriestaaten zu Aufgabe der Unterstützung Israels im Jom-Kippur Krieg zwingen
OPEC-Staaten für fast 55 Prozent der Lieferung von Öl verantwortlich → Vervierfachung des Ölpreises
Öl sehr wichtig für die Wirtschaft → Wirtschaftskrise im Westen aufgrund des enormen Preisanstieges
Rezession (Rückgang) der Wirtschaft in der BRD:
Unternehmen mussten viele Arbeitskräfte entlassen → Anstieg der Arbeitslosigkeit
Strukturwandel: Zunehmende Technisierung in der Industrie sorgte für noch größere Arbeitslosenzahl
→ BRD überstand unter Helmut Schmidt die Wirtschaftskrise trotzdem deutlich besser als andere Industriestaaten
Terror der RAF
Eine der größten Krisen während Helmut Schmidts Amtszeit war der Terror der linksterroristischen Roten Armee Fraktion (RAF).
Entstehung vieler Gruppierungen aus 68er-Bewegung → Auch radikale Gruppen, z.B. RAF
Ziel der RAF: Beseitigung des aktuellen politischen Systems in der BRD durch terroristische Maßnahmen (Kapitalismuskritik, Infragestellung des bürgerlichen Staates)
Brandanschläge auf Kaufhäuser (Symbol für westlichen Kapitalismus) durch RAF
Weitere Banküberfälle, Angriffe auf politische Einrichtungen und Ermordungen → Insgesamt 34 Tote
Prominenteste Mitgliederinnen und Mitglieder: Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof
Entführung des CDU-Politikers Peter Lorenz → Bundesregierung unter Schmidt gab nach und entließ im Gegenzug für Freilassung von Lorenz RAF-Terroristen aus dem Gefängnis
Deutscher Herbst (Höhepunkt der Terror-Welle):
Entführung eines Lufthansa-Flugzeuges
Entführung des Managers Hans Martin Schleyer
Krisenstab unter Schmidt bleibt jedoch hart und gab keine RAF-Terroristen mehr frei ("Mit Terroristen könne man nicht verhandeln")
→ Lufthansa-Maschine wurde von Spezialeinheit der Bundespolizei befreit, ohne dass Geiseln ums Leben kamen
→ Schleyer jedoch von RAF hingerichtet
- 1998: Endgültige Selbstauflösung der RAF
Kritik
Helmut Schmidt war, ähnlich wie schon Willy Brandt vor ihm, mit großem Widerstand von unterschiedlichen Seiten, auch aus seiner eigenen Partei, konfrontiert.
Friedensbewegung:
Entwicklung der Friedensbewegung zur Massenbewegung Anfang der 1980er Jahre → Gegen Atomkraft und Aufrüstung
Aus dieser Bewegung entstand auch die Partei "Die Grünen"
Ablehnung des NATO-Doppelbeschlusses
Kritik durch eigene Partei:
Grundsätzliches Problem: Politische Standpunkte von SPD weiter links und von Schmidt weiter rechts
Viele SPD-Mitgliederinnen und -Mitglieder unterstützten Friedensbewegung → Waren gegen Schmidts Politik
Auseinanderbrechen der sozialliberalen Koalition 1982
Differenzen in Wirtschafts- und Sozialpolitik zwischen SPD und FDP
Konstruktives Misstrauensvotum am 01.10.1982: Abwahl Schmidts durch Mehrheit aus FDP & CDU → Wahl Helmut Kohls (CDU) zum Bundeskanzler (Kanzler der Wiedervereinigung)
Sidefacts
Helmut Schmidt war Mitbegründer des G7-Treffens (damals "Gruppe der Sechs", G6), auf dem sich bis heute die Staatschefs der sieben größten Industriestaaten der Welt treffen.