Reformpolitik unter Willy Brandt (1969-74)

Willy Brandt war von 1969 bis 1974 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Mit seiner Politik des "Wandels durch Annäherung" läutete er eine neue Phase der Entspannung zwischen der BRD und den Ostblockstaaten ein. Diese neue Außenpolitik nannte man "neue Ostpolitik". Sein Motto "Mehr Demokratie wagen" prägte derweil vor allem seine Innenpolitik.

Für seine Ostpolitik erhielt er sogar den Friedensnobelpreis.


Steckbrief

Name

Willy Brandt

Geboren/gestorben

1913/1992

Ausbildung und Karriere

  • 1931 Beitritt zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD)

  • 1933: Widerstand gegen das NS-Regime → Musste nach Norwegen ins Exil flüchten

  • 1945: Rückkehr nach Deutschland

  • 1949: Abgeordneter im Bundestag für die SPD

  • 1957: Bürgermeister von Westberlin

  • 1964: Wahl zum Parteivorsitzenden der SPD

  • 1966: Bundesaußenminister und Vizekanzler

  • 1969: Wahl zum deutschen Bundeskanzler

  • 1971: Verleihung des Friedensnobelpreises

Hintergrund

In den späten 1960er Jahren veränderte sich das politische Klima in der BRD.

  • 1968er-Studentenbewegung: Junge Menschen protestierten gegen die traditionellen Werte der westdeutschen Gesellschaft, wollten politische Veränderung

  • Bundestagswahl von 1969:

    • CDU zwar noch stärkste Kraft → SPD & FDP haben aber knappe Mehrheit im Bundestag

    • Brandt geht Koalition mit FDP ein (sozialliberale Koalition) → Brandt vom Bundestag zum Kanzler gewählt

Hier seht ihr Willy Brandt.
Willy Brandt: Vierter Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland By Bundesarchiv, B 145 Bild-F057884-0009 / Engelbert Reineke / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5356484

Außenpolitik

Brandts Außenpolitik bestand vor allem aus seiner "Neuen Ostpolitik". Sein Motto "Wandel durch Annäherung" setzte er durch die sogenannten "Ostverträge" um.

Ziel

Brandt wollte durch enge, menschliche, kulturelle und wirtschaftliche Kontakte zu dem kommunistischen Osten die Spaltung überwinden.

Staatsbesuch in der DDR (19.03.1970)

  • Erster Staatsbesuch eines Bundeskanzlers in der DDR → Treffen in Erfurt

  • DDR-Bürger feierten Brandt auf seinem Staatsbesuch → DDR-Führung wollte aber keine Annäherung an den Westen und blockierte Verhandlungen

Hier seht ihr Abgeordnete der DDR und der BRD an einem Tisch.
Willy Brandt bei Verhanglungen mit der DDR-Führung in Erfurt By Bundesarchiv, B 145 Bild-F031401-0029 / Wegmann, Ludwig / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5454687

Moskauer Vertrag (12.08.1970)

  • Verhandlungen zwischen Brandt und der Sowjetunion in Moskau

  • BRD erkannte die Nachkriegsgrenzen an → Westdeutschland verzichtete damit auf die alten deutschen Ostprovinzen westlich der Oder-Neiß-Grenze

Warschauer Vertrag (07.12.1970)

  • Verzicht auf territoriale Ansprüche und auf Gewaltanwendung von beiden Seiten → Anerkennung der Oder-Neiß-Grenze als Westgrenze von Polen

  • Warschauer Kniefall: Brandt legte am 07.12.1970 einen Kranz am Mahnmal für den Aufstand im Warschauer Ghetto ab und kniete plötzlich nieder (Geste der Entschuldigung für die NS-Verbrechen) → Bild wird zum Symbol für Willy Brandts Ostpolitik

Viermächte-Abkommen (03.09.1971)

  • Abkommen zwischen den vier Besatzungsmächten (USA, Großbritannien, Frankreich und Sowjetunion)

  • Sowjetunion erkannte erstmals West-Berlin als Teil der BRD an und erlaubte den Transitverkehr zwischen der BRD und West-Berlin

  • Transitabkommen zwischen BRD & DDR → Regelung des Transitverkehrs zwischen Westberlin & BRD

  • Voraussetzung war Moskauer Vertrag gewesen

Grundlagenvertrag (21.12.1972):

  • Erstmalige Aufnahme offizieller Beziehungen zwischen BRD & DDR

  • Akzeptanz der realen Existenz der zwei deutschen Staaten → Aber: Keine völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die BRD (deshalb auch keine Botschaften im anderen Land, sondern nur sogenannte "Ständige Vertretungen")

  • Schloss Wiedervereinigung nicht aus

Prager Vertrag (11.12.1973):

  • Sogenannter Normalisierungsvertrag → Aufnahme von Beziehungen zwischen BRD & Tschechoslowakei, Anerkennung der Nachkriegsgrenzen

  • Zusicherung des gegenseitigen Gewaltverzichts & der Unverletzlichkeit der gemeinsamen Grenze

  • Münchener Vertrag von 1938 wurde für ungültig erklärt → Hier hatte die Tschechoslowakei das Sudetenland an das Deutsche Reich abgeben müssen

UNO-Beitritt (18.09.1973)

  • Neue Chance durch Grundlagenvertrag und Aufgabe des Alleinvertreteranspruchs der BRD → UNO-Mitgliedschaft für DDR & BRD möglich

  • Beitritt am 18.09.1973 → Bedeutung: Aufnahme in die Weltgemeinschaft

Hier sehr ihr Willy Brandt und Walter Scheel.
Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) und Bundesaußenminister Walter Scheel (FDP) verfolgten mit der neuen Ostpolitik einen anderen Kurs in der Außenpolitik als ihre Vorgänger By Bundesarchiv, B 145 Bild-F038347-0030 / Schaack, Lothar / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5455562

Innenpolitik

Auch in der Innenpolitik verfolgte Brandt eine Reformpolitik. Dabei ist insbesondere das Motto "Mehr Demokratie wagen" bekannt.

  • "Mehr Demokratie wagen":

    • Senkung des Wahlalters auf 18 Jahre

    • Erweiterte Mitbestimmungsrechte für Betriebs- und Personalräte

  • Bildungsreformen:

    • Reformierung schon von der 68er-Bewegung gefordert

    • Einführung des BaFöG, Hochschulausbau

  • Erweiterung der Freiheitsrechte: Sexuelle Selbstbestimmung, Homosexualität, Abtreibung, Gleichstellung von Mann und Frau ...

  • Ausbau des Sozialstaates: Ausbau der Sozialversicherung, Erhöhung des Kindergeldes ...

  • Umweltschutz: Erste Maßnahmen gegen Lärm & Abgase, Schadstoffe in Lebensmitteln ...

  • Terrorismus-Bekämpfung: Ausbau des Sicherheitsapparates → Vor allem gegen Linksterrorismus

Kritik

Willy Brandts Reformen in der Innen- und Außenpolitik waren innerhalb Deutschlands heftig umstritten. Besonders von der Opposition wurde ihm vorgeworfen, die deutschen Interessen an die kommunistischen Diktaturen "auszuverkaufen". 1972 brachte dann die CDU ein konstruktives Misstrauensvotum (Abstimmung über Abwahl des Kanzlers) im Bundestag vor, das nur ganz knapp scheiterte. Im selben Jahr erreichte die "Ära Brandt" dann ihren Zenit, jedoch wurde innerhalb des engsten Beraterumfeldes von Willy Brandt ein DDR-Spion enttarnt (Guillaume-Affäre). Brandt musste zurücktreten.

Hier seht ihr Willy Brandt an einem Redepult.
Die Reformpolitik Willy Brandts war höchst umstritten, auch innerhalb seiner eigenen Partei By Bundesarchiv, B 145 Bild-F039407-0005 / Wegmann, Ludwig / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5455899

Sidefacts

Willy Brandts echter Name lautete eigentlich Herbert Ernst Karl Frahm. Erst im norwegischen Exil nahm er den Kampfnamen Willy Brandt an, den er dann auch später in Deutschland beibehielt.

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