Als Präsidialkabinette (auch Präsidialregierung oder Präsidialdiktatur) bezeichnet man die drei Reichsregierungen unter den Reichskanzlern Heinrich Brüning, Franz von Papen und Kurt von Schleicher von 1930-1933.
Die Präsidialkabinette erlaubten es der Reichsregierung unabhängig vom Reichstag Gesetze zu erlassen. Das ging mithilfe verschiedener Artikel aus der Verfassung: Art. 48 & 25.
Hintergrund
Die große Koalition aus SPD, Zentrum, DDP und DVP unter Hermann Müller (SPD) scheitert am 27. März 1930 (letzte Mehrheitsregierung).
Parteien kamen zu keinem Kompromiss im Streit um Beitrag zur Arbeitslosenversicherung → Zusammenbruch der großen Koalition, kein Konsens mehr zwischen den demokratischen Parteien
Ernennung von Heinrich Brüning (Zentrum) zum Reichskanzler durch Reichspräsident Hindenburg
Bildet Minderheitsregierung (heißt, dass die Regierung nicht durch eine Mehrheit des Reichstages gestützt wird)
Brüning legt ein neues Gesetz zur Reform der Arbeitslosenversicherung dem Reichstag vor → Als das Gesetz vom Reichstag abgelehnt wird, errichtet Hindenburg und die Regierung Brüning das erste Präsidialkabinett
Mechanismus
Die Reichsregierung kann in Zusammenarbeit mit dem Reichspräsidenten (Artikel 48 & 25) ohne das Parlament Gesetzte erlassen.
Funktionsweise:
Reichsregierung legt Reichstag Gesetzesvorlage zur Abstimmung vor → Reichstag lehnt Gesetzesvorlage ab
Reichspräsident erlässt Gesetz mithilfe von Artikel 48 (Notverordnungen: Reichspräsident darf in Notsituationen Gesetze ohne das Parlament erlassen, Reichstag darf aber Aufhebung der Notverordnung veranlassen)
Reichstag verlangt Aufhebung der Notverordnung
Reichspräsident löst Reichstag nach Artikel 25 auf, bis es in 60 Tagen wieder zu Neuwahlen kommt → Bis dahin kann Reichsregierung ohne das Parlament Gesetze erlassen (weil sie in dieser Zeit ja keine ablehnen kann)
Reichsregierung kann also mit Reichspräsident praktisch ohne Kontrolle durch den Reichstag regieren → Aufhebung der demokratischen Ordnung
Minderheitsregierung ist dabei auf Vertrauen und Unterstützung des Reichspräsident angewiesen
Deshalb auch "Präsidial-Kabinette"
Reichskanzler ist eigentlich nur ausführendes Organ des Reichspräsidenten (Reichskanzler kann jederzeit vom Reichspräsidenten entlassen werden)
Ablauf
1. Präsidialkabinett (Brüning)
Die Minderheitsregierung unter Heinrich Brüning (Zentrum) war das erste Präsidialkabinett. Dieses Präsidialkabinett galt noch als gemäßigt, da das Parlament immer mal wieder einbezogen wurde.
Zeitraum: 30.03.1930 - 30.05.1932
Hauptinhalte:
Gegen Young-Plan: Aufhebung/Kürzung der Reparationszahlungen
Deflationspolitik: Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise, wenig erfolgreich
Rigorose Sparpolitik: Auch Maßnahme gegen die Wirtschaftskrise
Scheitern:
- Osthilfegesetz: Brüning will adelige Großgrundbesitzer enteignen und das Land den Arbeitslosen geben → Hindenburg entlässt ihn, da er selber von Enteignungen betroffen gewesen wäre.
2. Präsidialkabinett (von Papen)
Da Hindenburg noch nicht bereit war, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen, wird Franz von Papen (parteilos) Reichskanzler. Das Kabinett wird auch "Kabinett der Barone" genannt, da viele Adelige in der Regierung vertreten sind.
Zeitraum: 01.06.1932 - 03.12.1932
Hauptinhalte:
Verfassungsänderung → Noch weniger Demokratie
Preußenschlag → Von Papen entmachtete die Regierung Preußens (mit Abstand größtes Land im deutschen Reich) und setzt sich selber als Reichskommissar ein
Scheitern:
Von Papen will Umsturzversuch (Regierung soll aktiv die Verfassung brechen, Demokratie gänzlich ausgeschalten werden) →
nach einem erfolgreichen Misstrauensvotum des Reichstages muss er zurücktreten.
3. Präsidialkabinett (von Schleicher)
Hindenburg lehnt es wieder ab, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen und ernennt stattdessen Reichswehrminister Kurt von Schleicher (parteilos) zum Reichskanzler.
Zeitraum: 03.12.1932 - 28.01.1933
Hauptinhalte:
- Vereinigung aller sozialen Kräfte → Hier soll auch der linke Flügel der NSDAP einbezogen und damit die Partei gespalten werden.
Scheitern:
Plan klappt nicht, von Schleicher will deshalb wie schon von Papen Umsturzversuch
Hindenburg lehnt erneut ab → Rücktritt von Schleichers
Ausblick
Nachdem auch Kurt von Schleicher gescheitert war, war der Weg frei für Hitler. Franz von Papen und die Berater Hindenburgs sprechen sich mit Hitler ab und überreden Hindenburg, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen. Sie unterschätzen jedoch den Machtwillen Hitlers und glaubten ihn "mäßigen" zu können. Das sollte das Ende der Weimarer Republik besiegeln.