Der Roman Petit Pays thematisiert die grausamen Geschehnisse in den zentralafrikanischen Ländern Burundi und Ruanda zu Zeiten des Bürgerkrieges und des Genozids (1992-1994). Er zeichnet sich dadurch aus, dass die Ereignisse aus der Perspektive eines zwölfjährigen Jungen erzählt werden.
Ende der Kindheit
Die gesamte Erzählung wird von einer melancholischen Nostalgie geprägt, da der Ich-Erzähler von seiner glücklichen Kindheit berichtet, die dann von den grausamen politischen Ereignissen überschattet wurde.
Dass Gabriels Kindheit zunächst sorglos und behütet wirkt, hat verschiedene Gründe: | Mit Zunahme der Gewalt verändert sich Gabriels Leben: |
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Universelle Erfahrungen: | Weniger Abenteuer: |
Beziehung der Eltern: | Unterschiedliche Entwicklung der Eltern: |
Kleine Probleme: | Bürgerkrieg und Genozid: |
Sackgasse als Schutz: | Sackgasse als Falle: |
Gabriels Erinnerungen an seine schöne, behütete Kindheit sind gleichzusetzen mit dem Frieden. Mit der zunehmenden Gewalt endet also auch seine Kindheit.
Verlust
Je mehr Burundi und Ruanda von der Gewalt eingenommen werden, desto mehr verliert Gabriel, z.B.:
- Seine Freunde
- Die Beziehung zu seiner Mutter
- Mehrere Familienmitglieder, die getötet werden
- Den gewohnten Alltag und seine Freiheiten
- Den Kontakt zu seiner französischen Brieffreundin Laure
- Seine Heimat
Am Ende des Romans, bei seiner Rückkehr, fasst er zusammen:
« Je pensais être exilé de mon pays. En revenant sur les traces de mon passé, j'ai compris que je l'étais de mon enface. Ce qui me paraît bien plus cruel encore. »
Mechanismen der Gewalt
Durch Gabriels Augen erleben die Leser:innen, wie sich die Gewalt innerhalb einer Gesellschaft entwickeln kann, bis daraus ein Völkermord entsteht.
- Im Prolog erklärt der Vater den Unterschied zwischen den einzelnen ethnischen Gruppen, wobei seine Beispiele (unterschiedliche Nasen) die Absurdität der jahrelangen Spannungen zwischen den Tutsi und den Hutu bereits andeuten.
- Über die Familienmitglieder, besonders über Yvonne werden die Erfahrungen der aus Ruanda vertriebenen Tutsi verdeutlicht.
- Yvonne ist eine der tragischsten Figuren des Romans. Sie selbst überlebt zwar, muss jedoch schwere Verluste erleiden und ist schwer traumatisiert. Als Gabriel sie wieder trifft, ist sie kaum wiederzuerkennen. Sie kann symbolisch für die Folgen des Genozids stehen.
- An Gabriels Bande lässt sich erkennen, dass die Menschen nach und nach entweder flüchten oder sich an der Gewalt beteiligen.
- Selbst besonders friedliebende Personen wie Gabriel beugen sich irgendwann dem Druck: Er tötet einen Unbekannten, von dem nicht mal klar ist, ob er der Mörder von Armands Vater ist.
Migration & Exil
Michel, Jacques und Madame Economopoulus dienen als Beispiele für Europäer:innen, die nach Afrika auswandern und dort einen priviligierten sozialen Status genießen. Vor allem Jacques symbolisiert dabei die Auswirkungen des Kolonialismus, was sich in seinem herablassenden und rassistischen Umgang mit seinen Angestellten zeigt.
Über die Figur Yvonne wird dies kritisiert, da sie immer wieder auf die bestehende Ungleichheit zwischen Europäer:innen und Afrikaner:innen hinweist.
Yvonne und ihre Familie stehen hingegen für die unfreiwillige Migration und die Flucht vor Gewalt und Verfolgung. Einerseits hat die Migration der Tutsi zu den wachsenden Spannungen zwischen den Hutu und den Tutsi beigetragen, andererseits müssen wegen des Bürgerkrieges und des Genozids schließlich noch mehr Menschen flüchten.
Am Ende lebt Gabriel selbst im Exil, da er gezwungen war, Burundi zu verlassen. An seiner Figur lassen sich der Schmerz und die Sehnsucht nach Heimat, sowie die Schwierigkeiten mit der eigenen Identität erkennen.
Lesen & Schreiben
Im Lesen findet Gabriel Trost und Ablenkung. Auch das Schreiben von Briefen scheint ihm zu helfen, die Geschehnisse zu verarbeiten. Da der Autor des Romans in derselben Zeit in Burundi aufgewachsen ist, liegt also der Gedanke nahe, dass auch er im Schreiben des Romans seine Erlebnisse verarbeiten wollte.
Schreibstil
Poetisch: |
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Kulturell geprägt: |
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