Die Elektronegativität (kurz EN) gibt an, wie stark die Bindungselektronen in einer Verbindung zu einem der Bindungspartner gezogen werden.
Erklärung der Elektronegativität
An einer Verbindung, zum Beispiel in einem Molekül, sind immer mehrere Partner beteiligt. Diese teilen sich Elektronen. Jedoch ziehen die Bindungspartner die Elektronen nicht immer gleich stark an. Stattdessen werden die Elektronen oft von einem Partner mehr angezogen.
Jedes Element hat einen eigenen Elektronegativitätswert. Je höher dieser ist, desto stärker zieht das Element in einer Verbindung die Bindungselektronen an sich heran.
Aufgrund der negativen Ladung der angezogenen Elektronen, wird das entsprechene Element nun auch leicht negativ geladen. Man spricht auch von einer negativen Teilladung (Partialladung). Am Element mit dem kleineren Elektronegativitätswert entsteht dagegen eine positive Teilladung, da diesem negative Ladungen abgenommen werden.
Tendenz der Elektronegativität im Periodensystem
In einem Periodensystem ist der Elektronegativitätswert von jedem Element angegeben. Es wird nicht verlangt, die Elektronegativitätswerte auswendig zu lernen. Jedoch gibt es innerhalb des Periodensystems Tendenzen, die du dir gut merken kannst.
Tendenz innerhalb einer Periode
Innerhalb einer Periode, also einer Zeile, des Periodensystems nehmen die Elektronegativitätswerte der Elemente von links nach rechts zu.
Der Hauptgrund für diese Tendenz ist, dass jedes Atom die Oktettregel erfüllen möchte. Das bedeutet, dass ein Atom in der äußersten Schale am liebsten genau acht Elektronen besitzen will.
In den Hauptgruppen 1 bis 4 funktioniert das am einfachsten, indem das Atom Elektronen abgibt, anstatt aufzunehmen. Die Atome ziehen die Bindungselektronen also ungern an. Deshalb haben die Elemente der ersten Hauptgruppen auch eher niedrige Elektronegativitäten.
Ab der 5. Hauptgruppe jedoch ist es einfacher, Elektronen aufzunehmen statt abzugeben, um die Oktettregel zu erfüllen. Deshalb werden die Bindungselektronen von diesen Elementen stärker angezogen und der Elektronegativitätswert ist relativ hoch.
Eine weitere Ursache für die Tendenz sind die Protonen in den Atomkernen. Je mehr Protonen, also positive Ladungen, ein Atom hat, desto besser können die entgegengesetzt geladenen Bindungselektronen angezogen werden. Innerhalb einer Periode nimmt die Anzahl der Protonen im Atomkern eines Elements von links nach rechts ebenso zu.
Diese Tendenz gilt jedoch nicht für die Nebengruppenelemente. Bei diesen gibt es nämlich einige Abweichungen.
Tendenz innerhalb einer Hauptgruppe
Innerhalb einer Hauptgruppe, also einer Spalte, des Periodensystems, nehmen die Elektronegativitätswerte von oben nach unten ab.
Diese Tendenz lässt sich mit der Anzahl der Atomschalen begründen. Je mehr Schalen ein Atom besitzt, desto größer ist auch dessen Radius. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die Bindungselektronen in der Verbindung umso weiter vom Atomkern entfernt sind, je mehr Schalen ein Atom besitzt. Die Anzahl der Atomschalen nimmt innerhalb einer Hauptgruppe von oben nach unten zu. Je weiter die Elektronen vom Kern entfernt sind, desto schwächer werden sie auch von den Protonen angezogen.
Man kann also sagen: Je mehr Schalen ein Atom besitzt, desto schlechter können die Bindungselektronen angezogen werden, weshalb die Elektronegativitätswerte innerhalb einer Hauptgruppe abnehmen.
Sonderfall Edelgase
In einem Periodensystem werden die Elektronegativitätswerte der Edelgase fast nie angegeben. Der Grund dafür ist, dass diese Wert nur schwer gemessen werden können.
Eine lange Zeit dachten Wissenschaftler, dass Edelgase keine Verbindungen eingehen können. Doch diese Annahme wurde widerlegt. Edelgase gehen nur selten und unter speziellen Bedingungen Bindungen ein und geben nur sehr schlecht ihre Außenelektronen ab.
Deshalb war es schwer, die Elektronegativitätswerte zu messen, doch mittlerweile wurden diese auch festgelegt. Die EN der Edelgase sind demzufolge auch sehr hoch.
Bestimmung der Bindungsart anhand der Elektronegativitätsdifferenz
Die Elektronegativitätswerte sind sehr nützlich um herauszufinden, welche Bindungsart in der entsprechenden Verbindung vorliegt.
Man unterscheidet grundlegend zwischen der Atombindung und der Ionenbindung. Um nun die Bindungsart herauszufinden, errechnest du die Differenz zwischen den Elektronegativitätswerten der Bindungspartner. Diese Elektronegativitätsdifferenz macht eine Angabe über die Bindungsart.
Berechnung der Elektronegativitätsdifferenz
Um eine Differenz zwischen zwei Werten zu bilden, muss du vom größeren Wert den kleineren Wert abziehen. Das Ergebnis ist die Differenz. Eine Differenz wird immer durch den griechischen Buchstaben Delta angegeben. Dabei handelt es sich um ein Dreieck.
Eine allgemeine Berechnung der Elektronegativitätsdifferenz sieht folgendermaßen aus:
Atombindung
Eine Atombindung liegt immer vor, wenn beide Bindungspartner Nichtmetalle sind.
Die Elektronegativitätsdifferenz einer Atombindung liegt unter 1,7.
Außerdem kannst du zwischen der polaren und der unpolaren Atombindung unterscheiden.
Eine polare Atombindung liegt vor, wenn sich die Elektronegativitätsdifferenz zwischen 0,4 und 1,7 befindet.
Eine unpolare Atombindung dagegen wird durch eine Differenz von unter 0,4 charakterisiert.
Ionenbindung
Bei einer Ionenbindung handelt es sich um eine Verbindung von einem Nichtmetall mit einem Metall.
Eine Ionenbindung liegt vor, wenn die Elektronegativitätsdifferenz über 1,7 beträgt.
Überblick
Charakteristik | Atombindung | Ionenbindung | |
---|---|---|---|
unpolar | polar | ||
Bindungspartner | Nichtmetall + Nichtmetall | Nichtmetall + Nichtmetall | Nichtmetall + Metall |
kleiner 0,4 | 0,4 - 1,7 | größer 1,7 | |
typische Vertreter | Sauerstoff, Wasserstoff | Wasser, Ethanol | Salze |
Übergang zwischen den Bindungsarten
Der Übergang zwischen den verschiedenen Bindungsarten ist fließend. Das bedeutet, dass man nicht genau sagen kann, ab wann es sich um eine Ionen- beziehungsweise Atombindung handelt.
Außerdem handelt es sich nie um eine reine Atom- oder Ionenbindung. Es ist immer auch noch ein kleiner Anteil der jeweils anderen Bindung enthalten. Dieser Anteil wird jedoch umso geringer, je weiter die Elektronegativitätsdifferenz von dem Wert 1,7 entfernt ist.
Deshalb gibt es oft verschiedene Angaben darüber.
Die angegebenen Elektronegativitätswerte können sich außerdem in verschiedenen Büchern und Tabellen unterscheiden. Der Grund ist, dass diese Werte experimentell ermittelt werden und dadurch Abweichungen entstehen.
Deshalb solltest du dich nicht wundern, wenn du etwas anderes gelernt hast oder etwas anderes liest.
Beispiele
In den folgenden Beispielen wird berechnet, welche Bindung in den Verbindungen vorliegt.
Wasser
Wasser hat die Summenformel:
Die Elektronegativitätswerte der einzelnen Bindungspartner sind:
Nun berechnest du die Differenz aus den beiden Elektronegativitätswerten:
Der Wert 1,24 liegt zwischen 0,4 und 1,7. Damit liegt bei Wasser eine polare Atombindung vor.
Lithiumoxid
Die Elektronegativitätswerte der einzelnen Bindungspartner sind:
Daraus ergibt sich:
Dieser Wert liegt weit über 1,7. Deshalb handelt es sich bei Lithiumoxid um eine Ionenbindung.
Schwefelwasserstoff
Die Elektronegativitätswerte der einzelnen Bindungspartner sind:
Daraus ergibt sich:
Dieser Wert ist liegt unter 0,4, weshalb es sich um eine unpolare Atombindung handelt.
Brommolekül
Der Elektronegativitätswert für Brom ist:
Daraus ergibt sich:
Bei einer Elektronegativitätsdifferenz von 0 liegt eine unpolare Atombindung vor.
Eine Elektronegativitätsdifferenz von 0 liegt bei allen Molekülen vor, die nur aus einer Elementart bestehen. Solche Moleküle sind Sauerstoff, Wasserstoff, Brom, Stickstoff, Chlor, Fluor und Iod.