Ein Vers ist eine Textzeile bzw. Gedichtzeile in gebundener, also metrisch strukturierter Sprache. Der Vers hat einen bestimmten Rhythmus.
Erklärung
1. Strophe / 4 Verse, 2. Strophe / 4 Verse, 3. Strophe / 3 Verse, 4. Strophe / 3 Verse
- In geschriebener Form werden Verse in Zeilen gesetzt. Darum spricht man auch von Verszeilen.
- Der Rhythmus eines Verses wird Versmaß oder Metrum genannt. Das Metrum besteht aus Versfüßen.
- Wichtige Versfüße: Jambus, Trochäus, Daktylus, Anapäst
- Zeilenstil: Die Übereinstimmung von Versende und Satzende bzw. Satzgliedende
- Hakenstil: Keine Übereinstimmung von Versende und Satzende/Satzgliedende (Enjambements überwiegen)
→ Achtung: Nur weil in einem Gedicht ein Enjambement vorkommt, liegt deshalb noch kein Hakenstil vor! Um von einem bestimmten Stil sprechen zu können, muss sich dieser in vielen – am besten in allen – Verszeilen zeigen!
Kadenz
Die Kadenz beschreibt, wie der Versschluss rhythmisch gestaltet ist.
Wenn der Vers mit einer Hebung (betonte Silbe) endet, heißt das männliche Kadenz.
Wenn der Vers mit einer Senkung (unbetonte Silbe) endet, heißt das weibliche Kadenz.
Versformen
Eine Versform ist die geordnete Abfolge von Versfüßen in einer Verszeile.
Entscheidend ist die Anzahl der Silben und die Anzahl der Hebungen.
Versform | Merkmale |
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Knittelvers |
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Blankvers |
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Alexandriner |
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Als Zäsur bezeichnet man einen Einschnitt, also eine Art kurze (Sprech-) Pause, innerhalb eines Verses.
Oft wird eine Zäsur graphisch durch Schrägstriche / angezeigt.
Beispiele
Zeilenstil
Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei,
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.
(aus Weltende - Jakob van Hoddis)
→ Jeder Vers stellt einen abgeschlossenen Satzteil dar
Kadenz
Frühling läßt sein blaues Band
x́ x x́ x x́ x x́ → männliche Kadenz
Wieder flattern durch die Lüfte;
x́ x x́ x x́ x x́ x → weibliche Kadenz
Süße, wohlbekannte Düfte
x́ x x́ x x́ x x́ x → weibliche Kadenz
Streifen ahnungsvoll das Land.
x́ x x́ x x́ x x́ → männliche Kadenz
Veilchen träumen schon,
x́ x x́ x x́ → männliche Kadenz
Wollen balde kommen.
x́ x x́ x x́ x → weibliche Kadenz
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
x́ x x́ x x́ x x́ x x́ → männliche Kadenz
Frühling, ja du bist’s!
x́ x x́ x x́ → männliche Kadenz
Dich hab’ ich vernommen!
x́ x x́ x x́ x → weibliche Kadenz
(aus Er ist's - Eduard Mörike)
Knittelvers
Da steh ich nun, ich armer Tor!
x́ x́ x́ x́
Und bin so klug als wie zuvor;
x́ x́ x́ x́
Heiße Magister, heiße Doktor gar,
x́ x́ x́ x́
Und ziehe schon an die zehen Jahr
x́ x́ x́ x́
Herauf, herab und quer und krumm
x́ x́ x́ x́
Meine Schüler an der Nase herum –
x́ x́ x́ x́
Und sehe, daß wir nichts wissen können!
x́ x́ x́ x́
Das will mir schier das Herz verbrennen.“
x́ x́ x́ x́
(aus Faust I - Goethe)
→ 4 Hebungen
→ Reimschema: aabbccdd → Paarreim
Blankvers
Es eifre jeder seiner unbestochnen
x x́ x x́ x x́ x x́ x x́ x
Von Vorurteilen freien Liebe nach!
x x́ x x́ x x́ x x́ x x́
Es strebe von euch jeder um die Wette,
x x́ x x́ x x́ x x́ x x́ x
Die Kraft des Steins in seinem Ring' an Tag
x x́ x x́ x x́ x x́ x x́
Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmut,
x x́ x x́ x x́ x x́ x x́ x
Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun,
x x́ x x́ x x́ x x́ x x́ x
(aus Nathan der Weise - Lessing)
→ 5-hebiger Jambus
Alexandriner
Du siehst, wohin du siehst, // nur Eitelkeit auf Erden.
x x́ x x́ x x́ x x́ x x́ x x́ x
Was dieser heute baut, // reißt jener morgen ein
x x́ x x́ x x́ x x́ x x́ x x́
(aus Es ist alles eitel - Andreas Gryphius)
→ 6-hebiger Jambus