Als Glosse wird ein kurzer journalistischer Text bezeichnet, in dem der Autor seine Meinung zu einem Thema humorvoll, satirisch & überspitzt darstellt.
Erklärung
Sie gilt als eine der schwierigsten journalistischen Textformen, da es sehr kompliziert sein kann, die Gratwanderung zwischen Sarkasmus und Einfachheit zu bewältigen, ohne ins Lächerliche abzurutschen.
Merkmale
- Die Glosse ist eine humorvolle & unterhaltsamere Form des Kommentars
- Die Meinung wird dabei extrem überspitzt und ironisch dargelegt
- Mit zahlreichen rhetorischen Stilmitteln wie Ironie, Sarkasmus und Übertreibungen (Hyperbel) schreibt der Autor über das jeweilige Thema.
- Sie zeichnet sich zwar durch ihre Kürze & Einfachheit aus, ist aber stilistisch extrem hochwertig & erfordert eine hohe Sachkenntnis des Autors.
- Sie soll zum Nachdenken anregen & den Leser zu einer eigenen Meinung motivieren.
Sprache:
- Extrem hohe sprachliche Dichte & starke Verwendung von Stilmitteln
- Eher komplexer Satzbau (Hypotaxen)
- variable Wortwahl
Zeitform: Präsens
Aufbau
Meistens ist schon die Überschrift humorvoll & unterhaltsam:
z. B. "Advent, Advent, die Mütze brennt" (Abwandlung von "Advent, Advent, ein Lichtlein brennt.")
Einleitung:
- Aufhänger → Anlass für die Glosse
- Opener → konkrete Eröffnung des Textes → oftmals Hinleitung zum Thema durch ein Seitenthema, ein Zitat oder eine kurze Szenenbeschreibung
Hauptteil:
- Betrachtung des Themas aus einem sehr speziellen & ungewöhnlichen Blickwinkel
- Ironische Darlegung einer einseitigen Position
Schluss:
- Abschließende Meinung des Autors
- unerwarteten Wendung (Pointe) oder Schlussgag
Beispiele
1) Darf man(n) Sandalen mit Socken tragen???
Einleitung:
Manchen Umfragen sollte man keinen, aber auch gar keinen Glauben schenken, erst recht nicht, wenn sie so großes Entsetzten auslösen und sich angeblich niemand findet, der für diese Ergebnisse gestimmt hat. In einer Umfrage dieser Kategorie gestanden jetzt aber 70% der befragten Frauen, nichts dagegen zu haben, wenn ihre Liebsten alle Moderegeln brechen und, wofür wir Deutsche ja berühmt berüchtigt sind, Sandalen mit weißen Tennissocken tragen.
Hauptteil:
Stellt sich die Frage, wer da befragt worden ist und vor allem wie viele! Denn ab wie vielen Befragten kann eine Umfrage für die Allgemeinheit gelten? Wenn 7 von 10 Befragten nichts dagegen haben, bedeutet das dann auch, dass 70 von 100 das behaupten? Und selbst wenn, kann man das dann auf ganz Deutschland, auf die ganze Welt beziehen? Man darf also daran zweifeln, ob man der Umfrage Glauben schenken soll, wenn die ganze Frauenwelt laut protestierend nach Revision schreit.
Allerdings behaupten manche böse Zungen, dass die Socken immerhin das kleinere Übel sind zu den nackten Füßen, die sonst in den Sandalen, die ja schon spätestens seit der Römerzeit nicht mehr wegzudenken sind, stecken würden. Denn wer schon mal die Zehen eines Fußballspielers gesehen hat, der weiß, was einem erspart bleibt: blaue Flecken, blutunterlaufene, sich abschälende, eiternde Nägel, die in sich in dem seltenen Fall der Unbeschädigtheit aufrollen und reichlich Dreck unter sich haben, bereits gelblich gefärbte Hornhaut, allerlei Sorten von Fußpilz und Schimmel...
Ja, so sehen die Füße von echten Kerlen aus, aber wer ist schon ein echter Kerl? Die Männer, die gewöhnlich de Socken tragen, die eben diese schrecklichen Füße verbergen sollen, haben definitiv keine Fußballfüße. Warum also tragen sie sie dann? Ganz klar, sie hätten gern welche, die sie verstecken können, würden auch gern als echte Männer gelten, tun sie aber nicht. Ist das typisch deutsche Klischee also nichts weiter als ein Versuch des vermeintlich stärkeren Geschlechts sich als besonders männlich darzustellen?
Wenn dem so ist, liebe Männer, hört damit auf! Denn mit den Socken verbinden wir die Männer, die mit Halbglatze, knielangen, beigen Stoffhosen, einem hellblauen Polohemd und einem Sonnenhut, die den liebenlangen Tag in ihrem Garten stehen, vor dem Grill eben der klassische Spießer, der auf heile Welt macht und deutsche Bräuche pflegt. Nicht, dass es keine Frauen gibt, die auf das stehen, es sind nur nicht so viele. Genauer gesagt, machen sie vermutlich kaum einen Protzentsatz von 1% aus und würden ihre Vorliebe nicht einmal für Geld gestehen, denn dann würden sie ausgelacht und verspottet werden, noch mehr sogar als die Träger.
Schluss:
Vielleicht werden Socken mit Sandalen ja auch irgendwann modern sein, immerhin arbeitet Prada schon fleißig daran, und in ein Paar Jahren werden wir dann in den Schuhgeschäftern stehen, Mann wie Frau, und überlegen, ob wir nun die klassischen Sandalen in schwarz mit den roten Socken, oder doch lieber die neumodischen grünen mit den orangenen Socken nehmen sollen. Und dann wird die ganze lästerwütige Frauenwelt sich vermutlich göttlich über eine neue Sünde der Männer amüsieren.
2) Ein Roboter wird Lehrer
Einleitung:
Maschinenwesen, die Kinder unterrichten? Geht das überhaupt? Eine EU-Projekt hat den Versuch gestartet und will Robotern zu mehr Empathie verhelfen.
Hauptteil:
Nao ist ein äußerst schlauer und bescheidener Alleskönner, dessen runder Kopf immer freundlich dreinblickt. Er kennt keine Arbeitszeiten, keinen Stress und verlangt keinerlei Bezahlung für seine Dienste. Kein Wunder, denn Nao ist ein humanoider Roboter der neuesten Generation. Im Kopf sitzt der Prozessor, die Ohren sind zwei Lautsprecher, und in der Stirn steckt eine Kamera. Bislang hat das knapp sechzig Zentimeter große und überaus gelenkige Maschinenwesen vor allem beim Roboterfußball als Stürmer, Torwart oder Verteidiger brilliert. Doch Nao hat vom Kicken genug und sucht nun einen anspruchsvolleren Job.
Denn seine Erbauer haben ihn aufgerüstet, ihm reichlich Hirnschmalz eingehaucht und eine Stimme gegeben. Aber nicht irgendeinen Job will Nao. Nein, er will Lehrer werden. Sein erstes Engagement hat er im Rahmen des interdisziplinären EU-Projekts „Emote“ seit kurzem als Mathe- und Erdkundelehrer. Dort soll er zeigen, ob er überhaupt das Zeug zum Pauker hat, also ob er mehr kann, als nur Lernstoff vermitteln und abfragen. Nao soll nach seiner Ausbildung auch empathisch mit seinen Schülern interagieren und deren emotionale Signale deuten können - Fähigkeiten, an denen es vielen seiner menschlichen Kollegen bisweilen mangelt. Derzeit übt sich Nao im Einzelunterricht mit Acht- bis Elfjährigen in Erdkunde. Dabei sitzt ihm ein Schüler gegenüber, der ein überdimensionales iPad vor sich hat, auf dessen Display eine Landkarte zu sehen ist.
Auf Anweisung des Roboters geht der Schüler auf Schatzsuche - mal nach Norden oder Süden, dann nach Osten oder Westen - und lernt so die Himmelsrichtungen kennen. Nao spricht mit seinem Gegenüber, gestikuliert dabei mit seinen Armen und sagt, ob eine Antwort falsch oder richtig ist. Die Schüler sind begeistert, schwärmt der Projektleiter Arvid Kappas von der Jacobs Universität in Bremen. Sie nähmen den Roboter ernst, er motiviere sie zum Lernen.
Allerdings steckt in ihm noch immer der Automat der alten Schule. Dadurch kann Nao nicht erkennen, ob ein Kind generelle Lernschwierigkeiten hat und deshalb eine falsche Antwort gibt. Einen Sachverhalt noch einmal zu erklären, kommt dem künstliche Tutor nicht in den Sinn. Das wollen die Forscher von Emote ändern. Der Roboter der Zukunft soll einschätzen können, ob sich ein Kind langweilt oder ob es überfordert ist. Er soll in der Lage sein, an der Körperhaltung oder an der Mimik die Befindlichkeit des Schülers abzulesen und mit Gesten und Worten auf sein Gegenüber entsprechend einzugehen.
Schluss:
Nao muss offenkundig noch sehr viel lernen, bevor man ihn auf die Schüler loslassen und als zusätzliches Instrument bei der Unterrichtsgestaltung nutzen kann. Allerdings kann er allenfalls mit einer kleinen Gruppe Schüler gut arbeiten. Bei einer ganzen Klasse sei er heillos überfordert. Ein bekanntes Manko, das er mit vielen seiner menschlichen Kollegen teilt.