Allgemeines
- Der Roman besteht ausschließlich aus Briefen und Tagebucheinträgen von vier Ich-Erzählern:
- Veit Kolbe (Haupthandlung)
- Lore Neff (Erste Nebenhandlung)
- Kurt Ritler (Zweite Nebenhandlung)
- Oskar Meyer (Dritte Nebenhandlung)
- Alle Figureneigenschaften sind somit abhängig von der Perspektive des jeweiligen Ich-Erzählers
- Manche Personen werden nur von einem Ich-Erzähler charakterisiert, andere von mehreren
Personen in Mondsee (Haupthandlung)
Veit Kolbe
Zu Beginn 23-jähriger Wehrmachtssoldat
Hat bereits „fünf verlorene Jahre“ Kriegsdienst geleistet
Wird im Russlandfeldzug von einer Granate getroffen und reist für seinen Genesungsurlaub nach Mondsee
Erholt sich relativ schnell von den körperlichen Wunden, doch die psychischen Wunden bleiben
- Panikattacken
- Angstzustände
- Flashbacks
→ Posttraumatische Belastungsstörung
Zur Behandlung wird ihm Pervitin verschrieben, zu dem er langsam eine Sucht aufbaut
Pervitin war ein während des Zweiten Weltkriegs vielfach verwendetes Medikament, das den Inhaltsstoff Methamphetamin enthält. Es ist somit vergleichbar mit dem heutigen Crystal Meth. Es unterdrückt Müdigkeit, Hungergefühl und Schmerz und steigert stattdessen das Selbstvertrauen und die Ausdauer.
- Abneigung gegenüber dem NS-Regime durch die schrecklichen Erfahrungen im Krieg
- Konflikte mit überzeugten Anhängern des Regimes (u.a. Quartierfrau und sein Vater)
- Andererseits sträubt er sich, sich offen gegen das Regime zu positionieren (Ich konnte mich auch jetzt von dem Gedanken, dass der F. ein großer Mann war, nicht gänzlich freimachen)
- Schuldgefühle gegenüber seiner verstorbenen Schwester Hilde, da er ihr während ihres Todeskampfs nicht beistehen konnte
- Liebesbeziehung zu Margot gibt ihm neues Selbstvertrauen
- Faszination gegenüber dem Brasilianer, da er seine Meinung offen äußert und die Konsequenzen akzeptiert
- Beim Aufeinandertreffen mit Oskar Meyer: Realisierung, dass er auf ewig ein Teil des Krieges sein wird und eine Mitschuld trägt – trotz seiner Abneigung gegenüber dem Krieg
- Nachbemerkung:
- Überlebt den Krieg
- Heiratet Margot
- Bekommt zwei Kinder von ihr
- Stirbt 2004
Margot Neff
Zimmernachbarin von Veit
Stammt ursprünglich aus Darmstadt
Ist mit einem Soldaten aus der Nähe von Mondsee verheiratet, der sich während der Romanhandlung im Kriegseinsatz befindet
→ Zusammen haben sie ein kleines Baby namens Lilo
Selbstständig: Nabelt sich zunehmend von ihrem Zuhause in Darmstadt ab
Weint zu Beginn der Handlung häufiger
Baut eine intime Beziehung zu Veit auf und erkennt, dass sie den falschen Mann geheiratet hat
→ Liebesbeziehung mit Veit
→ Betrügt ihren Noch-Ehemann (erzählt ihm in ihren Briefen nicht von ihrer neuen Beziehung)
Veit beschreibt Margot als einen „wunderbaren, warmen Menschen“, wobei ihm besonders gefällt, dass sie ihm auf Augenhöhe begegnet und ihn nicht versucht zu erziehen
Nachbemerkungen:
- Überlebt den Krieg und heiratet Veit
- Ist bei der Veröffentlichung des Romans 95 Jahre alt
Der Brasilianer (Robert Raimund Perttes)
Wird „der Brasilianer“ genannt, weil er eine Zeit lang in Südamerika gelebt hat
Bruder der Quartierfrau
Betreibt eine Gärtnerei in Mondsee
Sehnt sich zurück nach Brasilien
Klare Ablehnung gegenüber dem NS-Regime
- Äußert seine Meinung öffentlich (Für den Ziegenfuß [Joseph Goebbels] findet sich hoffentlich bald eine gestrenge und gut gebaute Krankenschwester, die ihm eine für Geisteskranke gemachte Jacke anzieht)
- Wird deswegen zu sechs Monaten Zuchthaus verurteilt
→ Für Veit positive Kontrastfigur zu Vater und Onkel
Nach dem Aufenthalt im Zuchthaus: Positioniert das Schild „Klein Brasilien“ vor seiner Gärtnerei
→ Versuch der Selbstabschottung
→ Dies misslingt jedoch, als er mit seinem Schwager aneinandergerät und zur Flucht gezwungen ist
Nachbemerkungen: Wandert 1948 nach Brasilien aus
Onkel Johann
Postenkommandant (Dorfpolizist) in Mondsee
Organisiert für seinen Neffen Veit einen Schlafplatz bei der Quartierfrau
Beziehung zwischen Veit und ihm verschlechtert sich zusehends. Veit stören bei seinem Onkel:
- Egoismus & Opportunismus (Als gänzlicher Opportunist war der Onkel das größte Arschloch von allen. Sein Hauptinteresse bestand darin, keinen Ärger zu bekommen und für sich selbst möglichst viele Vorteile herauszuschlagen)
- Ignoranz gegenüber den Schrecken des Krieges (er unterbricht Veit, als dieser darüber berichten will)
- Gefühlskälte (er scheitert bei dem Versuch, Nannis Mutter Hoffnung auszusprechen und bleibt bei der Suche nach Nanni weitesgehend passiv)
- Machtmissbrauch (er fordert Veit auf, Zigaretten für ihn auf dem Schwarzmarkt zu holen)
→ Er erinnert Veit immer mehr an seinen Vater
→ Veit erschießt ihn letztendlich, um den Brasilianer zu retten
Margarete Bildstein
- Lehrerin der landverschickten Wiener Mädchen
- Wohnt zusammen mit ihnen in dem Mondseer Ortsteil Schwarzindien
- Distanziertes Verhältnis zu Männern
- Lässt Veit, der zunächst Interesse für sie hat, abblitzen
- Gilt im Dorf als kühl und unnahbar
- Wird als „Spitzmaus“ bezeichnet (wegen ihres strengen Gesichtsausdrucks)
- Unterstützung für den flüchtigen Brasilianer (hält ihn in Schwarzindien versteckt)
- Ob sie dies tut, weil sie eine Regimegegnerin ist, bleibt unklar
- Nachbemerkungen:
- Bleibt unverheiratet und kinderlos
- Stirbt 2008 im Alter von 89 Jahren
Annemarie (Nanni) Schaller
Eines der landverschickten Mädchen
Stammt aus demselben Wiener Gemeindebezirk wie Veit
Zu Beginn 13 Jahre alt
Liebesbeziehung zu ihrem Cousin Kurt Ritler
- Ihre Mutter akzeptiert die Beziehung nicht und schüchtert sie in einem Brief ein (Änderst du dich nicht, so betrittst du unser Zuhause nicht mehr und kommst sofort in eine Anstalt!)
Sie verschwindet und taucht mehrere Monate nicht auf
Schließlich wird ihre Leiche mitten in der Drachenwand gefunden
- Anscheinend hat sie versucht, die Felswand alleine zu erklimmen und ist bei dem Versuch aus großer Höhe abgestürzt
- Kurt Ritler bezeichnet ihr Handeln in einem späteren Brief als unvernünftig, aber gleichzeitig auch als etwas Selbstbestimmtes
→ Diese Selbstbestimmung, die in der Zeit des Nationalsozialismus nichts zu suchen hatte, kostete ihr letztendlich das Leben
Quartierfrau (Trude Dohm)
- Vermieterin von Veit und Margot
- Schwester des Brasilianers
- Schroff, unfreundlich und cholerisch
- Unbeliebt im gesamten Dorf
- Blühende Unterstützerin des NS-Regimes (glaubt bis zum Schluss an Wunderwaffen und den Endsieg)
- Nachbemerkungen: Stirbt 1953 an Syphilis
Nebenhandlungen
Lore Neff
Mutter von Margot
Lebt in Darmstadt
Berichtet ihrer Tochter in mehreren Briefen von den Zerstörungen durch die Luftangriffe in der Stadt
Dabei erfährt man auch Persönliches über sie:
- Das Verhältnis zu ihrem Mann Justus, der ein Choleriker sei, beschreibt sie als problematisch
- Die Beziehung zu ihren Töchtern Margot und Bettine ist wenig von mütterlicher Liebe geprägt
→ Ich hab jetzt bald genug von immer nur Ärger und Verdruss mit den Blödheiten von euch allen!
- Fühlt sich von ihrer Familie alleine gelassen
→ Dass jetzt gar niemand mehr hier ist, ist nicht recht!
- Würde es bevorzugen, wenn ihre Rolle als hart schuftende und aufopferungsvolle Frau in der Familie mehr gewürdigt würde
Nachbemerkungen: Stirbt 1961 an Diabetes
Kurt Ritler
- Zu Beginn 16-jähriger Schüler
- Liebesbeziehung mit seiner Cousine Nanni Schaller
- Seine Eltern akzeptieren die Beziehung nicht
- Von seinem Vater erhält er sogar harte Ohrfeigen
- Er plant Nanni an Ostern zu besuchen, wird allerdings zum Kriegsdienst einberufen
- Macht sich Vorwürfe als Nanni kurze Zeit später verschwindet
- Wird von der Nachricht ihres Todes hart getroffen
- Gespräch mit Veit in Hainburg: Ich lasse niemanden mehr im Stich
- Nachbemerkungen: Stirbt am 2. Mai 1945 in der Krankensammelstelle Horsens (Dänemark)
Oskar Meyer
Jüdischer Zahntechniker aus Wien
Lebt zusammen mit seiner Frau Wally und seinem Sohn Georg in der gleichen Straße wie Veit
Sein ältester Sohn Bernhard konnte bereits vor der Romanhandlung nach England auswandern
Nach dem Anschluss Österreichs im Jahr 1938 verliert die Familie alles und sie müssen unzählige Demütigungen in Kauf nehmen
Eine mögliche Auswanderung in das heutige Ghana lehnt Oskar ab, weil ihn das Klima abschreckt
→ Eine Entscheidung, die er später bitter bereuen wird
Die Familie entschließt sich, nach Budapest zu Oskars Bruder zu fliehen
- Zunächst: Deutlich bessere Lebensbedingungen als in Wien
- Dann: Einmarsch der Deutschen in Ungarn 1944
→ Wieder vergleichbar schlechte Lebensbedingungen wie in Wien
→ Wally und Georg verschwinden eines Tages
Völlige Verzweiflung und Schuldvorwürfe
Emotionale Abstumpfung
Hass gegen die deutschen Soldaten (er fokussiert sie mit seinen Blicken, um sie sich für später zu merken)
Imaginäre Hilfe durch seine Frau Wally (er stellt sie sich in seinen Träumen vor)
Nachbemerkungen:
- Oskar wird im März 1945 während eines Transports zum KZ Mauthausen ermordet
- Wally und Georg sterben 1944 in Auschwitz
- Bernhard überlebt den Krieg
Weitere Personen
- Max Dohm – SS-Mann und Ehegatte der Quartierfrau
- Herr Kolbe – Vater von Veit Kolbe
- Frau Kolbe – Mutter von Veit Kolbe
- Hilde Kolbe – Veits tote Schwester
- Waltraut Kolbe – Veits lebende Schwester
- Inge Kolbe – Veits lebende Schwester
- Hilli Schaller – Mutter von Nanni Schaller
- Johanna – Polnische Zwangsarbeiterin
- Ludwig – Noch-Ehemann von Margot und Vater von Lilo
- Lilo Neff – Kind von Margot
- Bettine Neff – Jüngere Schwester von Margot
- Justus Neff – Vater von Margot
- Susi Ritler – Jüngere Schwester von Kurt Ritler
- Erhard Ritler – Älterer Bruder von Kurt Ritler
- Herr Ritler – Vater von Kurt Ritler
- Frau Ritler – Mutter von Kurt Ritler
- Ferdl – Freund und Briefpartner von Kurt Ritler
- Wally Meyer - Frau von Oskar Meyer
- Georg (Georgili) Meyer – Jüngerer Sohn von Oskar Meyer
- Bernhard (Bernili) Meyer – Älterer Sohn von Oskar Meyer
- Jeanette – Cousine von Oskar Meyer