Das Drama handelt von Iphigenie, die der Göttin Diana auf der Insel Tauris als Priesterin dient.
Vorgeschichte
Iphigenie auf Tauris spielt in der Welt der griechischen Mythologie, deswegen ist einiges an Vorwissen nötig, um das Drama zu verstehen:
Der Halbgott Tantalus, Sohn des Zeus, war bei den Göttern des Olymp ziemlich beliebt und wegen seiner Klugheit geschätzt. Als er die Götter jedoch zu einem Festmahl bei sich einlädt, tötet er seinen Sohn Pelops und serviert ihn den Göttern zum Essen, um ihre Allwissenheit zu testen.
Die Götter bestehen den Test und sind natürlich nicht gerade erfreut. Zur Strafe wird Tantalus in die tiefste Region der Unterwelt (Hades) geschickt, den sogenannten Tartaros. Hier muss er ewige Qualen erleiden.
Und damit nicht genug: Zusätzlich werden seine gesamten Verwandten und deren Nachkommen verflucht. Der Fluch führt dazu, dass es zu vielen Morden aus Rache und Hass in den nachfolgenden Generationen kommt. Die Nachfahren von Tantalus werden auch Tantaliden genannt.
Bedeutend fürs Drama sind folgende Tantaliden:
Agamemnon, Anführer der Griechen im Trojanischen Krieg und Urenkel von Tantalus, hat zusammen mit seiner Frau Klytaimnestra vier Kinder:
Iphigenie, Orest, Elektra und Chrysothemis.
Als Agamemnon mit seiner Kriegsflotte nach Troja segelt, gelangt er auf dem Meer in eine Windstille, die ein Weiterkommen unmöglich macht. Ein Seher teilt ihm mit, dass die Windstille eine Strafe der Göttin Diana sei und es nur eine Lösung gebe, damit sie die Schiffe nach Troja lasse: Agamemnon müsse seine älteste Tochter Iphigenie der Göttin Diana opfern.
Agamemnon tut, was getan werden muss: Er segelt zurück nach Griechenland und lockt seine Tochter unter falschem Vorwand zu einem Opferaltar, um sie zu erdolchen. Diana verhindert dies jedoch in letzter Sekunde, indem sie Iphigenie auf die Insel Tauris entrückt (heute würde man wohl eher von teleportieren sprechen).
Diana macht sie dort zu einer Priesterin in ihrem Tempel und gibt ihr den Auftrag, jeden Fremden zu opfern, der an der Küste von Tauris anlegt.
Währenddessen denkt Klytaimnestra jedoch, dass Iphigenie tatsächlich von ihrem Mann geopfert wurde und bringt aus Wut Agamemnon um.
Orest und Elektra sind deswegen wiederum auf ihre Mutter sauer und bringen Klytaimnestra um.
Orest wird seitdem von Rachgeistern, den sogenannten Erinnyen, verfolgt und sucht verzweifelt nach einer Möglichkeit, den Fluch der Tantaliden zu brechen.
Beim Orakel von Delphi teilt ihm der Gott Apollon, Bruder der Göttin Diana, mit, dass er die Schwester von der Insel Tauris holen müsse, um dem Fluch zu entkommen.
Orest glaubt fälschlicherweise, dass damit Apollons Schwester Diana gemeint sei (und nicht Orests eigene Schwester Iphigenie, von der er glaubt, dass sie tot sei).
Orest entschließt sich, zusammen mit seinem Freund Pylades nach Tauris zu segeln, um eine Statue der Göttin Diana aus ihrem Tempel zu stehlen.
Das Drama
Ort:
- Hain (Wäldchen) vor dem Tempel der Göttin Diana auf der Insel Tauris
Zeit:
- Einige Jahre nach dem Trojanischen Krieg
- Zeitraum von wenigen Stunden
Personen:
- Iphigenie
- Thoas (König von Tauris)
- Orest (Bruder von Iphigenie)
- Pylades (Freund von Orest)
- Arkas (Diener und Bote von Thoas)
1. Aufzug
1. Auftritt
Iphigenie hält einen Monolog, in dem ihr Dilemma auf Tauris deutlich wird.
Einerseits ist sie Diana dankbar, dass sie durch die Göttin von der Opferung bewahrt wurde. Sie ergibt sich daher Dianas Willen, auf der Insel als Priesterin zu dienen.
Andererseits empfindet sie Widerstand. Sie fühlt sich unglücklich, einsam und fremd auf Tauris und sehnt sich nach ihrer Heimat und Familie in Griechenland.
2. Auftritt
Arkas tritt auf und teilt Iphigenie mit, dass König Thoas siegreich in einer Schlacht war und nun auf dem Weg zum Tempel ist, um der Göttin Diana zu danken.
Er fragt, warum sie sich so verschlossen zeige, und sie gesteht ihm ihr Dilemma.
Arkas findet das ganz schön undankbar von ihr. Sie solle sich doch glücklich schätzen, dass Thoas sie auf Tauris so freundlich aufgenommen und sich stets gut um sie gekümmert habe. Thoas habe sogar vor sie zu heiraten und Arkas legt Iphigenie nahe, dieser Ehe zuzustimmen.
Abseits dessen wird deutlich, dass Iphigenie bei den Einwohnern der Insel ziemlich beliebt ist. Sie konnte sie sogar davon überzeugen, auf die Tradition zu verzichten, jeden fremden Neuankömmling direkt zu töten.
3. Auftritt
König Thoas erreicht den Tempel und kommt im Gespräch mit Iphigenie ziemlich schnell zum Punkt:
Er möchte um ihre Hand anhalten.
Iphigenie möchte dies jedoch nicht, da eine Heirat sie auf ewig an Tauris binden würde. Deswegen versucht sie ihm auf freundliche Art die Heirat auszureden. Sie erzählt ihm von ihrer verfluchten Familie, was Thoas aber nicht abschreckt. Auch die Tatsache, dass eine Heirat gegen die Abmachung mit Göttin Diana verstoßen würde, lässt er nicht gelten.
Als sich Iphigenie trotzdem immer noch gegen eine Heirat wehrt, wird Thoas zornig. Aus Wut führt er die Tradition der Menschenopfer wieder auf Tauris ein.
4. Auftritt
Thoas geht ab und Iphigenie betet alleine zu Diana. Sie bittet die Göttin, ihr das Opfern unschuldiger Menschen zu ersparen.
2. Aufzug
1. Auftritt
Orest und Pylades wurden an der Küste von Tauris gefangen genommen und sollen nun gemäß der frisch wieder eingeführten Tradition im Tempel von Diana geopfert werden.
Orest hat bereits mit dem Leben abgeschlossen und möchte sich opfern lassen, um endlich von dem Fluch erlöst zu werden.
Pylades hingegen sieht noch Hoffnung und muntert Orest auf, dass sie noch einen Ausweg finden werden - schließlich hat das Orakel von Apollon sie ja hier her geschickt.
Als Iphigenie ankommt, möchte er erstmal mit ihr alleine reden.
2. Auftritt
Iphigenie und Pylades merken, dass sie beide aus Griechenland kommen, erkennen sich aber nicht gegenseitig.
Weil Iphigenie seit längerer Zeit nichts mehr aus ihrer Heimat gehört hat, fragt sie Pylades, wie der Trojanische Krieg ausging und wer dabei gestorben ist.
Pylades berichtet, dass der Krieg von den Griechen gewonnen wurde, weswegen sich Iphigenie schon Hoffnungen macht, ihren Vater bald wiedersehen zu können.
Doch dann erzählt er ihr, dass Agamemnon von Klytaimnestra einige Zeit nach dem Krieg umgebracht wurde - und zwar, weil sie dachte, dass er ihre gemeinsame Tochter Iphigenie geopfert habe. Pylades weiß natürlich nicht, dass Iphigenie gerade direkt vor ihm steht
Iphigenie ist schockiert und geht von ihren Gefühlen überwältigt ab.
Pylades fragt sich in einem kurzen Monolog am Ende, in welcher Verbindung Iphigenie wohl mit Agamemnon steht, dass sie so schockiert über seinen Tod ist.
3. Aufzug
1. Auftritt
Iphigenie geht zu Orest, wobei sie sich wieder gegenseitig nicht erkennen. Sie versichert ihm, dass sie alles tun werde, um zu verhindern, dass Orest und Pylades geopfert werden.
Erneut fragt sie nach Neuigkeiten über ihre Heimat. Orest erzählt ihr die nächste Schreckensnachricht: Auch ihre Mutter Klytaimnestra wurde umgebracht, und zwar von ihrem Bruder Orest - wobei er verschweigt, dass er es selbst ist.
Iphigenie ist nach den zwei Schreckensnachrichten hintereinander am Boden zerstört. Orest hält es nicht länger aus und offenbart ihr, dass er ihr Bruder ist.
Iphigenie ist froh, Orest gefunden zu haben, und gibt auch sich zu erkennen.
Ihr Bruder kann es erst gar nicht glauben, da er ja dachte, dass seine Schwester tot sei. Nachdem er den ersten Schock überwunden hat, gesteht er ihr aber, dass er dennoch vorhat, sich opfern zu lassen, um dem Familienfluch zu entgehen und endlich erlöst zu werden.
Mit diesen Worten bricht er ohnmächtig in sich zusammen.
2. Auftritt
Orest wacht alleine wieder auf und erlebt eine Hadesvision.
In der Unterwelt sieht er seine Mutter, seinen Vater und weitere Tantaliden, die ihn glücklich willkommen heißen. Sie sind befreit vom Tantalidenfluch und haben sich wieder versöhnt.
3. Auftritt
Iphigenie und Pylades stoßen dazu und Orest braucht einige Zeit, um zu realisieren, dass er sich nicht mehr in der Vision befindet.
Iphigenie betet zu den Götter-Geschwistern Diana und Apollon und bittet sie, Orest von dem Fluch zu erlösen. Pylades redet danach in klaren Worten auf ihn ein.
Und siehe da: Der Fluch wird tatsächlich gebrochen und Orest fällt Iphigenie befreit und erleichtert in die Arme. Er hat nun wieder neuen Lebenssinn geschöpft.
Pylades erinnert daran, dass die Zeit drängt, wenn sie von der Insel verschwinden wollen.
4. Aufzug
1. Auftritt
Iphigenie bittet die Götter, Pylades bei seinem Plan zu unterstützen. Der sieht nämlich wie folgt aus:
Pylades und Orest suchen gemeinsam das Schiff, das sie zur Insel gebracht hatte. Iphigenie soll währenddessen mit König Thoas sprechen und ihm eine Ausrede auftischen, um Zeit zu gewinnen.
Das Problem ist: Iphigenie möchte den König nicht anlügen, weil sie dadurch ihre Reinheit gefährdet sieht.
2. Auftritt
Arkas kommt zu Iphigenie und fragt sie, warum sich die Opferung verzögere. Thoas würde schon ungeduldig werden.
Iphigenie flüchtet sich in Ausreden: Orest habe den Tempel entheiligt und deswegen müsse man jetzt erst noch die Statue von Diana im Meer reinigen, um sie wieder zu weihen.
Arkas geht, um den König zu informieren.
3. Auftritt
Das Gespräch mit Arkas verstärkt Iphigenie in ihrem Dilemma: Sie erinnert sich an all die freundlichen Menschen auf Tauris, die sie hintergehen würde - insbesondere Thoas, der immer gut für sie gesorgt hatte.
4. Auftritt
Pylades kommt zu Iphigenie mit guten Nachrichten: Orest und er haben das Schiff mitsamt der Mannschaft wiedergefunden. Jetzt müsse nur noch die Statue von Diana aus dem Tempel geholt werden, dann könnten sie sofort los.
Iphigenie bleibt jedoch stehen und erzählt Pylades ihr Dilemma.
Der kann ihr Problem gar nicht verstehen. Sie solle sich vielmehr Vorwürfe machen, wenn Orest und er ihretwegen sterben müssten.
Wütend geht Pylades ab.
5. Auftritt
Iphigenie ist sich immer noch unsicher, ob sie sich für Wahrheit oder Lüge entscheiden soll.
Sie spürt allerdings, dass die Götter den Fluch niemals von ihrer Familie nehmen werden, wenn sie sich jetzt fürs Lügen entscheidet.
Zur Erinnerung an die gnadenlose Rache der Götter stimmt sie das sogenannte Parzenlied an, das von den drei Schicksalsgöttinnen bei der Verfluchung von Tantalus gesungen wurde.
5. Aufzug
1. Auftritt
Arkas informiert König Thoas, dass sich die Opferung von Orest und Pylades verzögere. Er vermutet, dass es sich um eine Ausrede handle und in Wahrheit eine Flucht geplant sei.
Thoas befiehlt ihm, die Küste nach Orest und Pylades abzusuchen und Iphigenie zu ihm zu schicken.
2. Auftritt
Thoas fühlt sich betrogen, da er sich jahrelang gut um Iphigenie gekümmert habe. Insbesondere ihre Ablehnung einer Heirat macht ihm zu schaffen.
Er gibt sich selbst die Schuld dafür, weil er so gütig und nachsichtig mit ihr gewesen sei. Vielmehr hätte er Härte und Unnachgiebigkeit zeigen müssen!
3. Auftritt
Wie befohlen kommt Iphigenie zu Thoas.
Sie versucht sich zunächst mit Ausreden zu erklären und sagt, dass sie generell Menschenopfer ablehne und sie mit Orest und Pylades sympathisiere, weil es Griechen seien - genau wie sie.
Doch dann hält sie es nicht länger aus und gesteht ihm letztendlich die ganze Wahrheit - auch die geplante Flucht.
Thoas ist erzürnt und will an der Opferung festhalten. Iphigenie fleht ihn an und versucht ihn umzustimmen.
4. Auftritt
Orest stößt mit einem Schwert bewaffnet dazu. Er wird von den Truppen des Königs verfolgt und will nun Iphigenie freikämpfen.
Doch auch Thoas zieht sein Schwert und ist bereit gegen ihn zu kämpfen.
Bevor die Situation eskaliert, schreitet Iphigenie dazwischen und erklärt Orest, wer der König sei und dass sie ihm die ganze Wahrheit gesagt habe.
5. Auftritt
Auch Pylades und Arkas kommen bewaffnet an. Doch die beiden werden wieder fortgeschickt, da man zunächst in Ruhe die Angelegenheit bereden möchte.
6. Auftritt
Thoas ist wütend und möchte Orest bestrafen, weil er Dianas Statue stehlen wollte.
Doch Orest hat mittlerweile den Orakelspruch richtig gedeutet:
Es geht nicht um die Statue der Göttin Diana, sondern um Iphigenie, seine eigene Schwester. Wenn Iphigenie wieder zurück nach Griechenland gebracht wird, dann wird der Fluch für alle Tantaliden gebrochen.
Orest und Iphigenie reden auf Thoas ein, sodass er sie schließlich mit einem “So geht!” gewähren lässt.
Doch damit möchte sich Iphigenie nicht zufriedengeben. Sie will im Guten mit dem König auseinandergehen und erinnert an ihre Freundschaft.
Dieser antwortet schließlich: “Lebt wohl!”